Eine der Herausforderungen, vor die mich meine derzeitige gesundheitliche/behinderungstechnische Situation stellt, ist meine Bettlägerigkeit. Obwohl ich in den letzten Wochen ein bißchen Mobilität dazugewonnen habe, kann ich das Bett wegen der Schmerzen doch immer noch nur minutenweise verlassen, so daß es mir nicht möglich wäre, außerhalb des Betts ein Ritual zu feiern. Wie vieles im Leben mit Behinderung hat daher mein Mabonritual ein bißchen mehr Planung erfordert – ich kann ja zwischendurch nicht mal eben aufstehen und Vergessenes holen 🙂 Im Vorfeld habe ich mir also eine Liste mit all den Dingen geschrieben, die ich brauchen würde. Einen Teil davon konnte ich mir selbst im Laufe des Tages während meiner kurzen Ausflüge im Rolli besorgen, den anderen Teil hat mein Mann mir organisiert und ans Bett gebracht.
Wahrscheinlich kennt jeder, der schon einmal bettlägerig war, das Problem, daß der Platz um das Bett herum niemals ausreicht, weil es tausend Dinge gibt, die man im Zugriff braucht (oder gern hätte). Ich hatte Sorge, daß mir z.B. mein Sandglas, das ich zum Räuchern verwende, herunterfallen oder im Bett umkippen könnte. Grundsätzlich benutze ich deswegen kein offenes Räuchergefäß mehr, sondern ein schnödes Schraubglas, denn dann kann ich mir immerhin sicher sein, daß nicht mal eben eine Schippe Sand auf dem Laken landet 🙂 Wenn das Sandglas auf dem Nachttisch steht, fürchte ich nichts, aber im Bett sieht das eben anders aus. Daher habe ich mir eine Art Tablett mit Rand aus der Küche geholt, das wir normalerweise für Deko auf dem Tisch nutzen. Wenn darin das Sandglas umgefallen wäre, wäre nichts passiert. Überhaupt stellte sich heraus, daß dieses Tablett ein Glücksgriff war, denn alles, was ich für das Ritual benutzen wollte, fand darauf Platz und kullerte dementsprechend nicht im Bett herum.
Ich werde noch gesondert darüber schreiben, wie es gerade so mit rituellen Gegenständen für mich aussieht, aber kurz gesagt habe ich 90% dessen, was ich früher angesammelt und im ständigen Gebrauch hatte, aussortiert, d.h. weggeworfen, verschenkt oder ausgewildert. Viel besitze ich gerade also nicht und der Großteil dessen, was ich überhaupt noch habe, befindet sich auf dem Dachboden. Natürlich könnte ich meinen Mann bitten, mir irgendwelche Dinge rauszusuchen, aber im Augenblick fühlt es sich für mich besser an, mit dem zu arbeiten, was ich im Zugriff habe – oder eben mit der hohlen Hand. Da der Raum auf diesem Tablett ohnehin begrenzt war, habe ich meinen Bett-Altar mit nur wenigen Dingen bestückt: dem Räuchersandglas, einem Kerzenglas, das mit einem LED-Teelicht bestückt war, einer Pfeilspitze aus Obsidian, einer herbstlichen Postkarte, einer Glocke, einem kleinen Tellerchen, auf dem ein halber Apfel lag (das Messer dazu lag in Reichweite, aber nicht auf dem Altartablett), und ein Schälchen mit Opfergaben. Auch über Opfergaben werde ich mal separat schreiben.
Seit ich mir meine Spiritualität abgestreift habe wie eine alte Haut, fühlen sich vertraute Gegenstände nicht mehr besonders vertraut an, sondern eben so, als wäre ich aus ihnen rausgewachsen. Ohne ins Detail zu gehen: mit der gängigen Symbolik, die für mich lange funktioniert hat, tue ich mich inzwischen sehr schwer. Es heißt, daß man Radfahren nicht verlernt, aber hey, ich konnte ja auch Gehen verlernen – und ganz sicher das Ritualisieren. Was sich mal natürlich angefühlt hat, ist heute strange und fremd und komisch, und darum arbeite ich nur mit dem, was übrigbleibt.
Ich habe also erstmal eine Sphäre (keinen Kreis) gezogen – und fiel in ein kleines liturgisches Loch, denn an dieser Stelle folge früher in meinen Ritualen immer Raum für Worte und Gedanken, die an Gottheiten gerichtet wurden. Wenn man mehr rituelle Praxis hat, reißt einen so ein Loch nicht aus dem Konzept, aber dieser kleine Lapsus war für mich eine Art Haken, an dem ich erstmal hängen blieb. Von einer theistischen Hexe zu – ja, was eigentlich? Ich habe nicht einmal einen Namen für mich selbst, geschweige denn für meinen Weg, den ich ja gerade erst neu betreten habe. Einmal durchschnaufen und weitermachen – wird schon.
Ich glaube, das, was mir zugute kommt, ist meine Affinität zu Küchenmagie, also zu recht praktischer, pragmatischer Magie, wo man was zum Anfassen und Tun hat. Darum hatte ich mir im Vorfeld einen kleinen Apfel-Spell überlegt, der mit dem Erntethema verbunden war. Das fühlte sich für mich wie vertrautes Terrain an. Nach dem Spellwork habe ich eine schamanische Reise gemacht, auch zu meinem Spell-Thema, und im Anschluß habe ich einfach im Dunkeln gelegen, die Reise auf mich wirken lassen und passende Musik gehört. Zuletzt habe ich die Sphäre wieder aufgelöst und meine Eindrücke in mein Tagebuch notiert. Mein Mann hatte mir noch etwas zu essen gerichtet, und das nahm ich mit einem Tee in einer Tea-To-Go-Tasse (tropffrei auch im Bett!) zu mir.
Dieses kleine Ritual zu Mabon war für mich das dritte Jahreskreisfest, das ich nach dem Neueintritt in die Spiritualität gefeiert habe, und ich merke, daß ich mich damit auseinandersetzen muß, welche Inhalte ich überhaupt noch (er)tragen und mit welchen Entitäten, Werkzeugen, Worten und Handlungen ich arbeiten kann. Ansonsten fühlt sich das Ritualisieren an wie das Spiel Tabu, wo man einen Begriff beschreiben soll, ohne dafür naheliegende andere Begriffe zu verwenden. Auf einen sehr beschränkten Ort reduziert zu sein, ohne sich während der Rituals vom Fleck bewegen zu können, fühlt sich nach den ganzen Jahren mit Bewegungseinschränkungen ganz in Ordnung an. Auch dazu werde ich später nochmal mehr schreiben.