Morgen werde ich meinen ersten Diagnosetermin in einer Klinik haben. Als ich mich das erste Mal um die Asperger-Diagnostik bemüht habe, teilte man mir mit, daß dies grundsätzlich nur stationär ginge, in meinem Fall in Mannheim oder Freiburg. Eine stationäre Aufnahme liegt für mich aus mehreren Gründen außerhalb dessen, was ich für eine Diagnostik zu tun bereit bin. Jedenfalls stellte sich später heraus, daß diese Information falsch war. Genervt hat mich daran, daß die Information von einer Beratungsstelle für Menschen mit Autismus kam, aber ok…
Die Klinik, in der ich mich morgen vorstellen muß, kenne ich nicht. Orte, die ich nicht kenne, machen mir genau wie neue Situationen ein schlechtes Gefühl. Ich würde dieses Gefühl nicht als Angst beschreiben, sondern als Streß. Es streßt mich, neuen Orten, neuen Leuten und neuen Situationen ausgesetzt zu sein, allerdings brauche ich sehr lange, bis ich etwas (oder jemanden) nicht mehr als „neu“ betrachte. Als Richtwert würde ich da ca. zwei Jahre angeben, aber das differiert ein wenig, je nachdem. Wenn ich jemanden einmal sehe und ihn dann erst wieder nach zwei Jahren sehe, ist er immer noch neu für mich 🙂
Diesen Streß konnte ich mir nie erklären. Ich hätte eine Streßreaktion logisch gefunden, wenn Angst im Spiel gewesen wäre, tatsächlich habe ich aber vor nur sehr wenigen Dingen Angst. Also habe ich mein Leben lang „mind over matter“ gespielt und mich mit purer Willenskraft in neue Situationen rein- und auch durch sie hindurchgezwungen. Natürlich härtet man dabei in gewisser Weise ab, aber eben nur oberflächlich. Nur weil ich es beispielsweise schaffe, jede Woche einkaufen zu gehen, heißt das nicht, daß der tatsächlich gefühlte Streß dadurch weniger wäre. Je voller es ist, desto mehr Streß habe ich. Asperger wäre dafür eine absolut passende Erklärung.
Um einer neuen Situation den Streß-Giftzahn zu ziehen, ist für mich eine gute Planung und Vorbereitung entscheidend. Ich zitiere dabei gern aus Alarmstufe Rot 2: „Luck prefers the prepared mind“ – Das Glück bevorzugt den, der vorbereitet ist. Konkret heißt das, daß ich mir im Vorfeld soviele Informationen sammle, wie eben möglich. Um halbwegs entspannt in die Diagnostik reinzugehen, bin ich am Wochenende zur Klinik gefahren, habe mir den Weg bzw. markante Wegpunkte eingeprägt (falls das Navi ausfallen sollte), habe geguckt, wo ich parken kann, und bin dann mit dem Rolli den Weg abgefahren, bis ich vor dem Büro stand, wo ich morgen hinmuß. Klingt für NTs wahrscheinlich etwas überdreht, aber ohne diese Vorbereitung wäre der Tag morgen für mich unfaßbar stressig geworden.
Zu meiner Vorbereitung gehört auch, daß ich meine Tasche für alle Eventualitäten ausrüste. Neben den üblichen Dingen wie Wasserflasche, Augentropfen und Tempos werde ich einen Snack, Aspirin, Bonbons, eine Taschenlampe, Stifte, einen Block und noch ein paar andere Dinge einstecken. Meine Tasche ist sowas wie mein Notfall-Kit. Im Notfall könnte ich mit ihr die Zombie-Apokalypse überstehen. Locker.
Unnötig zu erwähnen, daß ich mich nun sechs Wochen mit den Fragebögen beschäftigt habe, die sie mir im Vorfeld zugeschickt hatten. Nicht, daß es so lange gedauert hätte, die Kreuzchen zu machen, aber ein recht ausführlicher Fragebogen erforderte ausformulierte Antworten. Und diese habe ich erst handschriftlich auf dem Fragebogen selbst erledigt, um sie später in mehreren Varianten nochmal am PC zu tippen. Wieso? Weil leider nicht klar drinsteht, in welcher Form sie die Antworten gern hätten: ganze Sätze? Stichpunkte? Und wie präzise sollen die Antworten sein? Soll man nur Tendenzen angeben? Oder alles, an das man sich erinnern kann? Ja, solche Angaben wären echt hilfreich.
Alles in allem bekommen diese ganzen „Schrullen“, die ich so habe, unter dem Vorzeichen Asperger-Autismus einen Sinn.